Weil sie Pudding mit der Gabel essen: Das Internet erklärt die Jugend für verblödet
| von Thomsen / Foerde.news
Flensburg – Was darf die Jugend – und wie viel Unsinn ist erlaubt, bevor es „zu viel“ wird? Diese Frage stellte sich am vergangenen Freitag nicht im Bundestag, sondern an der Flensburger Hafenspitze. Rund 400 Menschen versammelten sich dort für eine bundesweit wachsende Social-Media-Aktion: gemeinsames Puddingessen – mit der Gabel. Löffel? Tabu. Sinn? Fraglich. Schaden? Keiner. Doch was folgte, war ein digitaler Shitstorm sondergleichen.
Unter einem Beitrag von Förde.news auf Facebook entlud sich, was man fast schon als Generationenkonflikt im Kommentarformat bezeichnen könnte. Während viele Kommentierende den augenzwinkernden Gabel-Hype als albern, dumm oder gar „Zeichen der Verblödung“ abstempelten, verteidigten andere die Aktion vehement – mit Witz, Charme und durchaus ernst gemeinten Argumenten.
„Neuer Trend: Jugend verblödet immer mehr“, schrieb Jens F. – und setzte damit den Ton für eine Welle an Unverständnis. „Ein Volk verblödet“, sekundierte ein anderer. Die Kommentare reichten von polemisch („Pudding im Gehirn“) bis kulturkritisch („So einen Blödsinn hätte es in den 80ern nie gegeben“). Einige bemühten gleich den ganz großen Bogen: „Ein Hoch auf die Dummgesellschaft“, kommentierte Paul P. resigniert. Und Silvia K. schrieb: „Die Verblödung dieses Landes nimmt beängstigende Formen an.“
Andere wiederum suchten die Schuld weniger bei der Jugend als beim Medium: „Und das ist der Grund, warum Politiker ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige fordern“, hieß es. Oder auch: „Der Inhalt passt zum Medium.“
Doch zwischen Zynismus und Weltuntergangsprognose mischten sich auch differenzierte Stimmen – und eine ganze Reihe an Kommentierenden, die den Trend verteidigten. „Meine Güte, was hier an verbitterten Menschen unterwegs ist“, schrieb etwa Selina W. „Diese Kinder und Jugendlichen tun niemandem weh. Sie essen einfach nur Pudding mit der Gabel. Wie kann man sich darüber so aufregen?“ Ihre Mitstreiterin Leaa B. ergänzte: „Es geht doch darum, gemeinsam Spaß zu haben – statt sich ständig mit negativen Schlagzeilen über Gewalt oder Kriminalität zu beschäftigen. Hier geht einfach mal alles gut aus.“
Ein anderer Nutzer formulierte es scharf: „Verblöden ist nicht, draußen Quatsch zu machen, sondern sich im Netz wie ein Höhlenmensch über diesen Quatsch aufzuregen.“
Dominik U. ging in seiner Replik noch einen Schritt weiter: „Nicht die Pudding-Esser sind das Problem – sondern die, die hier beleidigen, meckern und sich echauffieren. Solchen Leuten sollte man das Internet wegnehmen.“ Andere Kommentierende wie Brigitte E. oder Sarina S. fragten berechtigterweise: Was ist so schlimm daran, wenn Jugendliche sich einfach mal draußen treffen, gemeinsam lachen und dabei niemandem schaden?
Natürlich meldeten sich auch mahnende Stimmen mit konstruktiver Kritik zu Wort: „Warum nicht einen Trend starten, bei dem Müll gesammelt oder Bäume gepflanzt werden?“, fragte Maurice F. – und brachte damit einen Punkt auf den Tisch, den man ernst nehmen sollte: Warum greifen virale Aktionen so selten auf wirklich gesellschaftlich relevante Themen über?
Doch auch darauf fand sich eine Antwort in der Kommentarspalte. „Wenn du willst, dass Müllsammeln Trend wird – dann fang an, es viral zu machen“, schrieb Brigitte E. trocken. Der Ball liegt also nicht nur bei der Jugend, sondern auch bei den Erwachsenen, die heute gern mit dem Finger zeigen, aber selbst wenig unternehmen.
Interessant ist auch, wie sehr der scheinbar banale Akt des Pudding-Essens mit der Gabel die politische Ebene streifte. Von Impfgegner-Sprüchen über AfD-Anspielungen bis hin zu Polemiken über „die Linken“ – offenbar genügt schon ein Becher Schokopudding, um die ideologische Nervosität vieler Menschen freizulegen.
Am Ende bleibt die Frage: Was genau ist es, das viele so fassungslos macht? Die absurde Idee? Der Gruppenzwang? Die öffentliche Sichtbarkeit einer Generation, die sich bewusst für Leichtigkeit entscheidet? Oder schlicht der Neid auf eine jugendliche Unbekümmertheit, die dem eigenen Alltag längst abhandengekommen ist?
Fakt ist: Niemand wurde verletzt. Kein Eigentum beschädigt. Kein Gesetz gebrochen. Kein politisches Statement abgegeben. Nur Pudding gegabelt – und das in einer Art, die ein Moment des Miteinanders schuf. Das ist mehr, als man über viele politische oder gesellschaftliche Großereignisse sagen kann.
Wenn also die größte Empörung in Deutschland durch eine Gabel in einem Dessertbecher ausgelöst wird, stellt sich weniger die Frage nach der Reife der Jugend – sondern vielmehr nach dem Zustand der gesellschaftlichen Gelassenheit. Vielleicht sind es ja nicht die TikTok-Trends, die entgleisen – sondern unsere Fähigkeit, harmlose Dinge einfach mal so stehen zu lassen.